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Etat wirft Verteilungsfragen auf

Aktuelles SoVD-Zeitung - Artikel

Bereinigter Bundeshaushalt mit Einschnitten – SoVD kritisiert Griff in die Rentenkasse.

Blick in eine Menschenmenge
Viele Menschen müssen – trotz Arbeit – hart um ihre soziale Sicherheit kämpfen. Es ist sozial ungerecht, wenn sie die größte Last an den gestiegenen Kosten für Rente, Gesundheit und Pflege tragen. Foto: Anton Gvozdikov / Adobe Stock

Unter dem hohen Sparzwang von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und nach wochenlangem Ringen hat die Ampelkoalition am 18. Januar den Bundeshaushalt für 2024 auf den Weg gebracht. Der SoVD begrüßt das Ende des Haushaltsstreites. „Gerade jetzt brauchen wir eine handlungsfähige Regierung“, so die SoVD-Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier. Der Verband kritisiert gleichzeitig, dass der bereinigte Etat Verteilungsfragen aufwirft.

Das Spardiktat ist durch Verzicht auf Steuerreformen oder eine Reform der Schuldenbremse weitgehend selbstauferlegt: In seiner Bereinigungssitzung beschloss der Haushaltsausschuss einen Etat mit Ausgaben von 476,8 Milliarden Euro und neuen Krediten in Höhe von rund 39 Milliarden Euro, deutlich weniger als im Etat 2023.

Nach jahrelangen Ausnahmen soll damit die Schuldenbremse wieder voll greifen, könnte unter bestimmten Umständen jedoch ausgesetzt werden. Für Investitionen sind rund 70,5 Milliarden Euro ausgewiesen.Nachdem die Spitzen der Ko­alition entschieden haben, was der Staat mit dem Geld seiner Bürger*innen macht, soll das Parlament den Haushaltsentwurf Anfang Februar besiegeln.

Zähes Ringen um die Etats und ein Urteil mit Folgen

Eigentlich war die Verabschiedung bereits für November vorgesehen. Doch das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichtes – die Union hatte gegen den zweiten Nachtragshaushalt 2021 geklagt – durchkreuzte die Pläne. Weil die Richter der Klage stattgaben und untersagten, milliardenschwere Corona-Kredite nachträglich für den Klimaschutz sowie als Rücklage für Notlagen zu nutzen, musste die Regierung für Teile des Budgets eine neue Grundlage schaffen und zugleich eine milliardenschwere Finanzierungslücke schließen. Der bereinigte Etat enthält massive Einschnitte, unter anderem die schrittweisen Kürzungen beim Agrardiesel für landwirtschaftliche Betriebe.

Beschnitten wurden zudem die Mittel für Entwicklungshilfe und humanitäre Hilfe. Auch zahlreiche Klimaschutzprojekte fielen dem Rotstift zum Opfer; Verbraucher*innen müssen sich im Übrigen auf höhere Preise beim Tanken und Heizen einstellen.

Bürgergeld: höhere Beteiligung an Heizkosten

Den größten Etat im zusammengestrichenen Bundeshaushalt 2024 hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), was nicht darüber hinwegtäuschen sollte, dass auch dort mit Kürzungen massiv eingespart wird. 175,67 Milliarden Euro stehen Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) demnach zur Verfügung. Damit verbunden steigen das Bürgergeld und die Beteiligung des Bundes an den Leistungen für Unterkunft und Heizkosten.

Auch die Leistungen für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung fallen höher aus. Beides begrüßt der SoVD ausdrücklich, wie auch den ebenfalls erhöhten Ansatz für die Durchführung von Integrationskursen nach der Integrationsverordnung.

Vollsanktionierung für Verweigernde befristet

Abstriche um 50 Millionen Euro auf 4,15 Milliarden Euro sind hingegen bei den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit vorgesehen. Erhielten erwerbsfähige Leistungsberechtigte bislang einen Bonus von 75 Euro für jeden Teilnahmemonat an Weiterbildungsmaßnahmen, so soll dieser künftig entfallen.

Minderausgaben beim Bürgergeld in Höhe von 150 Millionen Euro erwartet die Regierung darüber hinaus durch stärkere Sanktionierungen für „Totalverweigernde“, zunächst begrenzt auf zwei Jahre. Der SoVD bewertet diese Maßnahmen insgesamt als zu „scharf“. Gleichzeitig räumt der Verband ein, dass Sanktionen im verfassungsrechtlichen Rahmen in manchen Fällen richtig sein könnten, um eine notwendige Akzeptanz für das System zu schaffen.

„Rentenversicherung ist kein Selbstbedienungsladen“

Deutliche Kritik übt der SoVD an dem Vorhaben der Regierungskoalition, den zusätzlichen Zuschuss des Bundes an die allgemeine Rentenversicherung um 245 Millionen Euro auf 30,83 Milliarden Euro abzusenken. „Die Rentenversicherung darf nicht zum Selbstbedienungsladen werden“, stellt Engelmeier hierzu fest. „Wenn man immer wieder die Zuschüsse kürzt, muss man sich später nicht wundern, dass das System langfristig ausgehöhlt wird. Die gesetzliche Rente muss weiterhin verlässlich finanziert werden, wenn sie funktionieren soll.“

Den Blick stärker auf die Einnahmenseite richten

Wie die Regierungsfraktionen SPD und Grüne sieht auch der SoVD das Festhalten an die Schuldenbremse grundsätzlich als problematisch an: „Wir müssen investieren und entlasten, den Blick auch auf die Einnahmenseite richten“, so die SoVD-Vorstandsvorsitzende. Ein Beharren auf der Schuldenbremse, die kaum neue Kredite oder Investitionen erlaube, sei falsch, zumal sich der Bundesfinanzminister gleichzeitig vehement gegen höhere Steuern stemme.

Der Haushalt 2024 berührt aus Sicht des SoVD aufs Neue und in hohem Maße Verteilungsfragen. „Bei dem vom Finanzminister durchgezogenen Sparkurs tragen die Arbeitnehmer*innen und die unteren und mittleren Einkommensschichten die Hauptlast“, erklärt Engelmeier. „Sie finanzieren den Sozialstaat überproportional.“

Immer mehr Menschen müssen hart um ihre soziale Sicherheit kämpfen, haben zum Teil trotz Arbeit Existenzsorgen, weiß der SoVD nicht zuletzt aus der Beratungsarbeit für seine Mitglieder. Für sie sei es umso weniger nachvollziehbar, dass sie als Arbeitnehmende – gemeinsam mit den Arbeitgebenden – die steigenden Kosten bei der Rente, Pflege und Gesundheit stemmen sollten, während der Staat seine Zuschüsse bei den Sozialkassen reduziere. „Geld bei den Sozialausgaben zu sparen, schwächt das Vertrauen der Menschen in den Sozialstaat“,   stellt die SoVD-Vorstandvorsitzende fest. Denn Abzüge in den Sozialkassen bedeuteten immer  negative Konsequenzen für die unteren und inzwischen auch mittleren Einkommensschichten. „Das ist fahrlässig und ein falsches Signal.“

Diejenigen, die mehr haben, sollen mehr beitragen

„Was wir brauchen, sind Investitionen in den Sozialstaat – finanziert unter anderem durch eine Reform der Erbschaftssteuer, die Wiedereinführung der Vermögenssteuer und höhere Steuern für Superreiche“, so Engelmeier. „Das fordern wir seit Jahren.“ Es müsse in unserem Staat normal werden, dass diejenigen, die mehr haben, auch mehr beitragen. Dann werde auch nicht an den falschen Stellen gespart. „Wir müssen gemeinsam die Probleme der Menschen angehen“, ist Engelmeier auch vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen überzeugt. „Die Politik muss ihre Leistungsversprechen einlösen und die Spaltung der Gesellschaft abbauen.“ Sonst stehe zu befürchten, dass die in Teilen rechtsextreme AfD noch mehr an Einfluss gewinne. „Eine der Ursachen für Radikalisierung liegt im schwindenden Zusammenhalt als Gesellschaft. Unser gemeinsamer, demokratischer Auftrag ist es, soziale Gerechtigkeit und die Teilhabe aller in einer solidarischen Gesellschaft zu stärken.“