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Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2

Gesundheit

Stellungnahme des SoVD zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit

1 Inhalt

Wegen der anfänglich begrenzten Verfügbarkeit eines Impfstoffes gegen das Coronavirus SARSCoV2 sind Auswahlentscheidungen darüber erforderlich, wer zuerst geimpft werden soll. Mit dem vorliegenden Versorgungsentwurf soll geregelt werden, wer die Schutzimpfungen zuerst erhält, wie und wo die Schutzimpfungen geleistet werden und wer die Kosten trägt.

Die vorliegende Verordnung gewährt Versicherten der GKV und anderen Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben, unabhängig von ihrem Krankenversicherungsstatus einen Anspruch auf Schutzimpfung. Ein Anspruch auf eine Schutzimpfung soll insbesondere zunächst für Personen, die aufgrund ihres Alters oder Gesundheitszustandes ein signifikant erhöhtes Risiko für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf haben, sowie für Personen, die solche Personen behandeln, betreuen oder pflegen, bestehen. Darüber hinaus sollen diejenigen Personen einen Anspruch haben, die in zentralen Bereichen der Daseinsvorsorge und für die Aufrechterhaltung zentraler staatlicher Funktionen eine Schlüsselstellung besitzen.

Das Bundesministerium für Gesundheit hat die Ständige Impfkommission gebeten, gemeinsam mit Expertinnen und Experten der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und des Deutschen Ethikrates Kriterien für eine Priorisierung von COVID19Impfstoffen vorzuschlagen. In dem öffentlich gewordenen Beschlussentwurf der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfiehlt diese dem BMG Impfungen gegen das Coronavirus SARSCoV2 zunächst für:

  • Bewohner von Senioren und Altenpflegeheimen,
  • Personen im Alter ab 80 Jahren,
  • Personal mit besonders hohem Expositionsrisiko in medizinischen Einrichtungen,
  • Personal in medizinischen Einrichtungen mit engem Kontakt zu vulnerablen Gruppen,
  • Pflegepersonal in der ambulanten und stationären Altenpflege sowie andere dort Tätige mit Kontakt zu den Bewohnern.

Die Gruppe der vorgenannten umfasst etwa neun Millionen Menschen.

Die Sach- und Personalkosten für Aufbau und Betrieb der Impfzentren einschließlich der mobilen Impfteams sollen zur Hälfte von den gesetzlichen und privaten Krankenkassen getragen werden, zu 46,5 % aus dem Gesundheitsfonds und zu 3,5 % von der PKV. Die restlichen Kosten für die Impfzentren sowie weitere Kosten z. B. für die zentrale Beschaffung von Impfstoffen, Impfbesteck und –zubehör sollen die staatlichen Ebenen tragen.

Die Verordnung soll am 15. Dezember 2020 in Kraft treten.

2 Gesamtbewertung

Angesichts der zu Beginn begrenzt zur Verfügung stehenden Impfmenge teilt der SoVD die Einschätzung, dass zunächst zwingend die Menschen mit dem größten Risiko für einen schweren oder sogar tödlichen Verlauf einer COVID19Erkrankung Impfungen erhalten müssen.

Dazu zählen ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen, Vorerkrankungen oder Pflegebedarf. Der SoVD ist sehr alarmiert, dass Menschen mit Schwer- und Mehrfachbehinderungen sowie ihre Betreuer*innen und Pfleger*innen in den bisher bekannten Vorschlägen der STIKO keinen bevorzugten Zugang zum Impfstoff erhalten sollen. Sie müssen zwingend in die Verordnung aufgenommen werden. Darüber hinaus müssen angesichts der Tatsache, dass die Mehrzahl pflegebedürftiger Menschen in ambulanten Settings zu Hause versorgt wird, auch pflegende Angehörige prioritären Zugang zu Impfungen erhalten, die naturgemäß einen engen Kontakt zu vulnerablen Gruppen haben.  

Der SoVD fordert, dass Impfzentren und mobile Impfteams umfassend barrierefrei ausgestattet sind und arbeiten. Dies ist angesichts der vielfältigen Bedarfslagen der nun prioritär zu impfenden vulnerablen Gruppen besonders dringlich.

 

Hinsichtlich der vorgesehenen Kostentragung durch die Krankenkassen kritisiert der SoVD, dass erneut ein erheblicher Teil der gesamtgesellschaftlichen Aufgaben der Pandemiebekämpfung nicht aus Steuermitteln, sondern aus Beitragsmitteln der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden soll.Vor dem Hintergrund der in der Krankenversicherung geltenden Beitragsbemessungsgrenzen führt dies dazu, dass insbesondere wohlhabende Menschen nicht gemäß ihrer Leistungsfähigkeit an den Kosten beteiligt werden. Zudem steht zu befürchten, dass die pandemiebedingt hohen Defizite der gesetzlichen Krankenkassen zu hohen Zusatzbeiträgen im kommenden Jahr führen werden, die wiederum vor allem kleine und mittlere Einkommen belasten. Der SoVD fordert, dass der Bund die dem Gesundheitsfonds entstehenden Ausgaben zur Pandemiebekämpfung refinanziert.

Wegen der anfänglich begrenzten Verfügbarkeit eines Impfstoffes ist zu befürchten, dass es zu Verteilungskämpfen um den Zugang zu Impfungen kommt. Außerhalb des Regelungskreises der vorliegenden Verordnung müssen staatliche Stellen grundsätzlich sicherstellen, dass diejenigen mit den größeren Ressourcen sich nicht bevorzugten Zugang zu Impfungen verschaffen können und so eine Zwei-Klassen-Gesellschaft entsteht.

Berlin, 9. Dezember 2020

DER BUNDESVORSTAND

Abteilung Sozialpolitik